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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.02.2001
Aktenzeichen: 5 Ws 20/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 454
StPO § 305
StPO § 307
StGB § 66
Leitsatz

Eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die der Vorbereitung der späteren Entscheidung nach § 57 StGB dient, unterliegt in entsprechender Anwendung des § 305 Satz 1 StPO jedenfalls dann nicht der Anfechtung, wenn mit der Erstattung des Gutachtens ein Eingriff in die Freiheit oder die körperliche Unversehrtheit des Täters nicht verbunden ist.


5 Ws 19/01 5 Ws 20/01

Beschluss

Strafsache gegen J.O,

wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a., (hier: Beschwerde des Verurteilten gegen die Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 21. Dezember 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold vom 12. Dezember 2000 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.02.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Münster vom 6. März 1998 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in 16 Fällen, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. 2/3 dieser Strafe sind bis zum 17. Oktober 2000 vollstreckt worden. In der Zeit vom 18. Oktober 2000 bis zum 17. Januar 2001 hat der Verurteilte eine Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Warendorf vom 1. März 1995 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Münster vom 19. Juli 1995 vollständig verbüßt. Seit dem 18. Januar 2001 wird gegen den Verurteilten wiederum der Rest der o.g. Freiheitsstrafe von fünf Jahren vollstreckt.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. Dezember 2000 hat die Strafvollstreckungskammer angeordnet, dass gemäß § 454 Abs. 2 StPO das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten eingeholt werden solle. Hiergegen richtet sich der als Beschwerde aufzufassende "Widerspruch" des Verurteilten vom 21. Dezember 2000.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 454 Abs. 2 StPO holt das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten u.a. dann ein, wenn es - so wie hier offenbar die Strafvollstreckungskammer - erwägt, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 S. 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Eine solche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die der Vorbereitung der späteren Entscheidung nach § 57 StGB dient, unterliegt in entsprechender Anwendung des § 305 S. 1 StPO jedenfalls dann nicht der Anfechtung, wenn mit der Erstattung des Gutachtens ein Eingriff in die Freiheit oder die körperliche Unversehrtheit des Täters nicht verbunden ist (vgl. OLG Hamm NStZ 1987, 93 zu dem ähnlich gelagerten Fall der Überweisung eines Verurteilten in den Vollzug einer anderen Maßregel gemäß § 67 a StGB).

Nach § 305 S. 1 StPO unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde. Der gesetzgeberische Grundgedanke dieser Bestimmung besteht darin, dass Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit dem nachfolgenden Urteil stehen, bei dessen Erlass nochmals überprüft werden und deshalb mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil selbst und nicht selbständig angefochten werden sollen. Daher unterliegt auch die Untersuchung eines Angeklagten auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit durch das erkennende Gericht nicht der Beschwerde, wenn mit der Anordnung weder eine Freiheitsentziehung noch ein Eingriff in das Recht der körperlichen Unversehrtheit verbunden ist (vgl. OLG Hamm NJW 1970, 1985).

Im vorliegenden Fall kommt eine entsprechende Anwendung des § 305 S. 1 StPO in Betracht, da es auch der Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer sich aus § 454 Abs. 2 StPO ergebenden Verpflichtung, die für ihre Entscheidung nach § 57 StGB bedeutenden Umstände ausreichend zu ermitteln, unbenommen bleiben muss, dies vor der Entscheidungsfindung ohne Eingriff einer Rechtsmittelinstanz zu tun. Eine dem Verurteilten nachteilige Begutachtung bleibt dadurch gerichtlich überprüfbar, dass er ggf. den auf dem Gutachten beruhenden Beschluss der Strafvollstreckungskammer nach § 57 StGB mit der sofortigen Beschwerde anfechten kann.

Ein dem § 305 S. 2 StPO rechtsähnlicher Ausnahmefall, bei dem die Beschwerde zulässig wäre, liegt hier nicht vor. Der Verurteilte wird durch die Anordnung der Strafvollstreckungskammer weder in seiner körperlichen Unversehrtheit noch in seiner Freiheit beeinträchtigt, denn in dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer nicht angeordnet, dass der Verurteilte bei dem Gutachter zu erscheinen oder dass er die Vornahme körperlicher Eingriffe zu dulden hat.

Da die Beschwerde somit unzulässig ist, war sie mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

Soweit der Verurteilte geltend gemacht hat, der angefochtene Beschluss verstoße gegen das Rückwirkungsverbot, weil er, der Verurteilte, vor Inkrafttreten des § 454 Abs. 2 StPO n.F. verurteilt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrensrechts nicht auf den Zeitpunkt der Verurteilung, sondern auf den Zeitpunkt der Anordnung der Begutachtung abzustellen ist.

Ende der Entscheidung

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